Im Lande Kal – Der Weg der Essener

Die Franzosen Anne und Daniel Meurois-Givaudan legten 1984 (deutsch 1988) mit den Essener Erinnerungen – Die spirituellen Lehren Jesu ein Werk vor, das vielen Lesern eine neue Sicht auf die Ereignisse von vor rund 2000 Jahren ermöglichte und zum Bestseller wurde.

Eine der Höhlen bei Qumran, wo Schriftrollen der Essener gefunden wurden.

Eine der Höhlen bei Qumran, wo Schriftrollen der Essener gefunden wurden. Urheber: User Franco56, Wikimedia Commons

Im Lande Kal – Der Weg der Essener knüpft daran an; es erschien fünf Jahre später (1989, deutsch 1991) und wird von den Autoren nicht als Fortsetzung, sondern als Weiterentwicklung und Vertiefung bezeichnet.

Zweiundzwanzig Jünger Jesu brechen nach Kal (Gallien) auf, um dort die Lehre der Liebe auszutragen, darunter Joseph von Arimathia, seine Tochter Miriam, Zachäus und die beiden Erzähler Miriam und Simon. Sie finden offene Herzen, rufen aber auch Ablehnung und Feindseligkeit auf – sowohl von den römischen Besatzern, die die Ruhe im Land gefährdet sehen, als auch von druidischen Priestern, die um ihre Autorität fürchten.

Das lebendige Feuer der Liebe: Frei von Dogmen

Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, die lebendige Kraft nicht zu einem Dogma erstarren zu lassen. So spricht Joseph im Buch 1, Kapitel VI, „Die Therapeuten der Erde“:

Olea capensis, Kapstadt

Olea capensis, Kapstadt; Urheber: Abu Shawka; Wikimedia Commons

„Was nützt es“, hatte Joseph immer wieder wiederholt, „die Menschen davon zu überzeugen, dass es besser ist, Blau zu lieben als Gelb? Das eine wie das andere sind nur beliebige Elemente der großen Schöpfung, die ihre Größe, aber auch ihre Nichtigkeit haben. Wenn ihr überall verkündet, dass der Ölbaum schöner ist als die Zypresse oder die Eiche, wird man euch vielleicht am Ende glauben. Aber dies alles werden bloß Worte sein; ihr werdet nur Masken durch andere Masken ersetzt haben, und die Herzen werden nach wie vor verschlossen bleiben.

Eure Aufgabe und diejenige all derjenigen, die nach euch kommen werden, besteht zunächst und vor allen Dingen darin, die bequeme Routine dieser Herzen zu zerbrechen. Es geht nicht darum zu lernen, sondern darum, eine andere Logik zu entwickeln. Das menschliche Bewusstsein ist träge; es liebt die Gedanken, die es sich schon zu eigen gemacht hat, und die Pläne des Tempels, die schon lange gezeichnet sind.

Blast also nicht die Flamme einer Fackel aus, um eine andere brennende Fackel an deren Stelle zu setzen. Lasst die Menschen entdecken, soweit ihr die Kraft dazu habt, wie man die Flamme zum Auflodern bringt, die Essenz des Wesens, das sich mit keinem Namen belegen lässt. Dies ist der Wille des Kristos: dass jeder von uns, von unseren Brüdern, die Kraft der Liebe an seiner eigenen Wurzel erkennen kann. […]

Wenn eines Tages ein Dogma aus den Worten des Meisters Jeshua entstehen wird, werden wir vielleicht nicht genug unternommen haben, um dies zu verhindern. Die schwierigste Auseinandersetzung, die ihr zu bestehen haben werdet, wird hier liegen, und ihr werdet keinen anderen Gegner haben als euch selbst.“

Wie kämpft ein spiritueller Mensch gegen Unterdrückung?

Obwohl die Schwierigkeiten im „Außen“ nicht gerade gering sind und insbesondere die Begegnungen mit den Römern die Arbeit immer wieder erschweren, wird die Aufmerksamkeit auf das eigene Innere gelenkt. Diese Gedanken sind hochaktuell – die Konflikte sind in den 2.000 Jahren nicht weniger geworden (Buch 2, Kapitel VI):

„Glaubst du denn, dass es Rom ist, das diese Grausamkeiten begeht?“ wies ihn Miriam zurecht. „Was du an der römischen Macht nicht ertragen kannst, ist nur ganz allgemein die dunkle Seite des menschlichen Bewusstseins. Wisse, Elric, dass du diese dunkle Seite, der Fäulnisgeruch entströmt, vielleicht selbst noch in deinem Bewusstsein hast. Rom ist ein Name, nichts als ein Name. Diese niedrige Manifestation des Menschen, die so sehr unser Herz und unseren Geist verletzt, wird zweifellos noch viele Namen tragen. Die Lust an der Grausamkeit und alle widerlichen Züge der Persönlichkeit sind ein Geschwür, das an der Seele der Menschheit frisst. Es sind Formen, die die Gedanken der Menschen in einer immateriellen Welt schaffen, es sind unsichtbare Kräfte, die diese Gedanken durch ihre fortwährenden niederen Regungen speisen und mit denen sie sich jedesmal tränken, wenn die Machtgier sich regt.

Glaube nicht, dass dies nur eine Krankheit der Könige ist; die Machtgier ist fest im Herzen der Menschen verankert, und sie tritt in den unverfänglichsten und tückischsten Formen in Erscheinung.

Der Meister hat uns oft gesagt, dass wir mitschuldig am Tod eines jeden Menschen sind, der auf dieser Erde hingerichtet wird, dass wir alle Mittäter sind. Ihr wollt dies nicht wahrhaben? Und doch ist es die Summe unserer geistigen Armseligkeit oder Verhärtung, die dem Arm des Henkers Kraft verleiht.“

Wer diese Einsichten ernst nimmt, wird sich von politischen Kämpfen zurückziehen und nicht mehr hoffen, im Äußeren die Veränderung zu bewirken, die doch vom eigenen Inneren ausgehen muss. Wer in sich selbst die dunkle Seite erkennt, leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Schwächung der Gedankenformen und hilft damit auch anderen, sich von ihrem Einfluss zu lösen.

Im Grunde gibt es keinen Feind im Außen: dieser Gedanke passt zu modernen Erkenntnissen der Quantenphilosophie, wie sie zum Beispiel im Abspann des Films Revolver erläutert werden. Im Gleichnis des Films Matrix gesprochen, kämpft man im sogenannten Außen gegen das Computerprogramm, anstatt den Stöpsel zu ziehen und sich mit seinem wirklichen Körper zu bewegen. Im Sonnenstern wird eine Erinnerung an eine frühere Inkarnation beschrieben, in der die Hauptfigur versuchte, das Tempelheiligtum mit Gewalt zu verteidigen – ein absurder Gedanke für denjenigen, der die Liebe in sich trägt und daher auch bereit ist zu akzeptieren, dass sie in der Welt der Gegensätze Widerstand erfährt. (Siehe auch: Nicht nur der Islam: Kampflustige Weltreligionen?)

Impulse der Essener wurden später unter anderem von den Manichäern, Bogomilen und Katharern aufgegriffen – vgl. den Beitrag Druiden, Essener, Manichäer, Bogomilen, Katharer, Rosenkreuzer.

Quelle: Im Lande Kal – Der Weg der Essener

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