Spirituelle Narren: Olsens Torheit (Anker Larsen)

Mit Olsens Torheit legte Johannes Anker Larsen einen Einweihungsroman vor, der ebenso an Don Quichotte erinnert wie an die Gralssuche des Parzival. Olsen sucht das Geheimnis des Lebens zu ergründen und versucht sich dabei als Theologiestudent, Maler und Zirkusclown, bevor er als Insasse einer Nervenheilanstalt auf sein Leben zurückblickt.

Von Hermann Hesse wird folgendes Zitat über Jakob Böhme überliefert:

„Er ist nicht nur schwer zu lesen, so wie etwa Kant in vielen Kapiteln schwer zu lesen ist. Er ist überhaupt nicht zu lesen, wenn die Einstellung fehlt.“

Olsens TorheitÄhnliches könnte man über Olsens Torheit sagen. Larsens Roman ist sprachlich wesentlich einfacher zu lesen als Werke von Jakob Böhme – jedoch wird er demjenigen weniger zu sagen haben, der nicht ähnliche innerliche Erfahrungen macht wie Olsen.

Ich habe das Buch nach über 10 Jahren zum zweiten Mal gelesen und musste feststellen, dass ich vom Fortgang der Geschichte fast nichts behalten hatte. Einige Bilder jedoch blieben über Jahre in mir präsent, zum Beispiel der Traum von der Albergo Internationale, einem Gebäude (Hotel? Anstalt?), aus dem man ebenso wenig auschecken kann wie aus dem Hotel California der Eagles.

Zirkusartisten und die Einfachheit des Seins

Der Leser begleitet nicht nur Olsens spirituellen Weg – auch einige seiner Mitstreiter wachsen an ihren Erfahrungen. Da ist zum Beispiel Grace, die einige Traumata überwindet und ihren Frieden findet. Da ist Felipe, der jahrelang zwischen Asketentum und Ausschweifungen pendelt auf der Suche nach Ekstase, bis er erfährt, dass es gerade die Einfachheit ist, die ihm die innere Tür öffnet. Alberto hingegen, der Olsens Clownstalente erblühen lässt und ihn behutsam an seinen wahren Wesenskern heranführt, ruht schon ab seinem Erscheinen in sich selbst. Dabei hilft er Olsen nicht durch besondere Fürsorge oder indem er sich aufopfert, sondern er erkennt Olsens Wesenskern und lässt seinem Freund den nötigen Freiraum, diesen selbst freizulegen. Dazu ist es auch mal nötig, sich eine Weile zurückzuziehen.

Larsen / Olsen, Rainald Grebe und die Zwiebel

Rainald Grebe singt in Das Psychologische Jahrhundert ist vorbei:

Wir schälen wieder Zwiebeln,
Doch da ist nun mal kein Kern.

Vielleicht war er von Olsens Torheit inspiriert (mym-Verlag, 1. Auflage 2003, Übersetzung von Wolfgang Gramer, S. 443 von 499):

Der Mensch ist ein Bündel von Eigenschaften, er ist wie die Zwiebel, werden die Schalen entfernt, was bleibt dann davon übrig? –

Nichts. Einmal fallen alle Schalen, und alle Eigenschaften verdorren, dann kann man nichts mehr ausrichten, nichts kann einem mehr widerfahren, weder Gutes noch Böses. Und das ist der Friede, den ein Mensch erlangen, aber nicht erwerben kann, denn wenn der Friede zu ihm kommt, dann ist der Mensch nicht mehr der, der er einmal war.

Dieser Aspekt der Verwandlung tritt vor allem gegen Ende des Romans immer deutlicher hervor. Olsen berichtet von „Sonnenflecken“, von Lichterfahrungen, denen er sich gern hingab. Bald merkte er, dass sie ihn nicht nur erheben, trösten und stärken wollten, sondern auch etwas von ihm forderten. Um ein neuer Mensch zu werden, muss das alte Wesen preisgegeben werden.

Am Ende finden sich auch einige Bibelzitate. Sie sind sehr wohltuend eingewoben: Nicht belehrend, nicht dogmatisch, sondern als Belege dafür, dass die beschriebenen Erfahrungen schon lange bekannt sind und tatsächlich Stationen eines Einweihungsweges darstellen.

Siehe auch den Beitrag Von der Unsinnigkeit des spirituellen Weges.

Anker Larsen: Olsens Torheit

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