Zum Vorwurf des gnostischen Dualismus

Gnostikern wurde immer wieder ihr Dualismus vorgeworfen. Zum Beispiel heißt es auf Kathpedia, der freien katholischen Enzyklopädie: „Der Dualismus ist eine Irrlehre, in der gelehrt wird, dass es zwei Götter oder auch zwei Prinzipien gibt, die gegen einander kämpfen. Diese werden als gleich mächtig angesehen, und der Ausgang des Kampfes ist ungewiss. […]“

Der Vorwurf traf und trifft unter anderem Katharer und Manichäer, zum Teil auch moderne Gnostiker.

Reiner Klein zitiert in Die Mysterien der Katharer den manichäischen Gnostiker Faustus von Mileve, Zeitgenosse von Augustinus (S. 78 in der 3. Auflage von 2016):

Niemals ist in unseren Darlegungen von zwei Göttern die Rede gewesen … Es ist wahr, dass wir die Existenz von zwei Prinzipien verkünden, aber den Namen Gott geben wir nu einem einzigen, das andere Prinzip nennen wir Materie (hyle) oder mit einem besser bekannten und mehr angewendeten Ausdruck Dämon. Wenn du glaubst, es handle sich da um zwei Götter, könntest Du auch, wenn ein Arzt über Krankheit und Gesundheit schreibt, denken, er spreche von zwei Gesundheiten, und wenn man sich mit dir über gut und böse unterhält, könntest du annehmen, es handle sich um zweierlei Gutes; ebenso kannst du dann, wenn du von Mangel und Überfluss reden hörst, diese beiden für zwei Arten von Überfluss halten.

Wenn ich eine Auseinandersetzung über schwarz und weiß, kalt und warm, süß und bitter vortrage, und du sagst, ich setze voraus, es gäbe zwei Weiß, zwei Warm, zwei Süß, wird es dir nicht vorkommen, als hättest du deinen gesunden Menschenverstand eingebüßt?

Glaubst Du etwa deshalb, weil wir der Materie alle bösartige Kraft und alle wohltätige Gott zuweisen, wie es sich gehört, das laufe unbedingt darauf hinaus, dem einen und dem anderen den Namen Gott zu geben? Sollte das der Fall sein, so könntest du, wenn du von Gift und Gegengift reden hörst, glauben, das laufe unweigerlich darauf hinaus, dem einen und dem anderen den Namen Gegengift zu geben, weil das eine und das andere seine Kraft, das eine und das andere seine Aktivität und seine Wirkungsweise habe. Ebenso kannst du dann ja, wenn du von Arzt und Giftmischer sprechen hörst, den einen und den anderen einen Arzt nennen; wenn die Rede von gerecht und ungerecht ist, wirst du sagen können, da seien zwei Gerechte, da der eine und der andere eine bestimmte Tätigkeit entfaltet.

Wenn es absurd ist, so vorzugehen, wieviel mehr ist dies der Fall zu glauben, Gott und die Materie seien zwei Götter, weil jedes seine Wirkungsweise hat! So ist denn eine solche Argumentation eine wahre Albernheit; es fehlt ihr völlig jede Beweiskraft; sie beweist, dass du auf einen Streit um Worte ausgehst, weil du mir nichts zu erwidern weißt, das auf den Grund der Dinge gehe.

Quelle (nach Reiner Klein): Augustin: „Contra Faustum“, Buch XXI, Kap. I und „Capitula“ XXXI

Zur Unterscheidung der beiden Ebenen vergleiche folgende Beiträge:

Reiner Klein: Die Mysterien der Katharer

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