Spiritueller Film: „Revolver“

Was für ein Meisterwerk. Eine Freundin hatte ihn mir empfohlen, sonst wäre ich nie darauf gekommen, dass sich in diesem Film von 2005 so ein tiefgehender spiritueller Inhalt verbergen könnte. In der Videothek unter „Thriller“ einsortiert, ließ mich auch der Covertext nicht auf einen tieferen Sinn schließen. Regie führte Guy Ritchie, der auch das Drehbuch schrieb; er war mal mit Popstar Madonna verheiratet (2000 – 2008).

Eine gute halbe Stunde lang war es für mich nicht mehr als ein Gangsterfilm, Casino-Milieu, es ging um jede Menge Kohle, es ging darum, cleverer zu sein als die anderen, es ging ums Gewinnen, es gab Gewaltszenen …

Erst später wird deutlich, worum es eigentlich geht. Ein streng subjektiver Interpretationsvorschlag:

Revolver FilmplakatAll die Geschehnisse sind zu dem einzigen Zweck konstruiert, Jake Green (Jason Statham) mit seinem Ego zu konfrontieren, ihn zwischen dem Ego und seinem wahren Selbst unterscheiden zu lehren, und ihn so in eine neue, zuvor kaum erahnte Freiheit zu führen.

Das niedere Selbst: Die Ego-Stimme

Anknüpfend an gnostische und rosenkreuzerische Vorstellungen, kann man die Stimme im Fahrstuhl als sein Ego oder niederes Selbst bezeichnen. Green ist diesem ständig plappernden Gedankenstrom solange ausgeliefert, wie er sich mit ihm identifiziert. Im Fahrstuhl wird ihm klar: er ist nicht diese Stimme. Der Ego-Jake wird immer nervöser, es geht um seine Existenz; er versucht Jake einzureden, sie seien identisch, zumindest sei er sein bester Freund, und es gäbe kein Leben ohne ihn. Je nervöser der Ego-Jake wird, desto klarer spürt Jake: Er ist nicht eins mit dem Ego-Jake, und er kann prima ohne diesen leben.

Das höhere Selbst: Der mächtige Casino-Boss

Nachdem die Ego-Stimme schweigt und Jake sich von ihrer Kontrolle freigemacht hat, ist erst eine Etappe geschafft. Auch Macha, den mächtigen Casinoboss (Ray Liotta), kann man als einen Aspekt von Jake Green sehen: sein Höheres Selbst (von Rosenkreuzern auch als Aurisches Wesen bezeichnet). Es lenkt ihn – und das gelingt nur, solange er es nicht durchschaut. Auf dem Weg der Selbst-Freimaurerei wird es erst allmählich zum Gegenspieler. Wer sich in seinem gewohnten Lebenszustand vollkommen zu Hause fühlt, kann durchaus in Harmonie mit dem Höheren Selbst leben. Erst wenn der Einfluss des Egos nachlässt, kann auch das Höhere Selbst in Frage gestellt werden. Dann kann der Mensch erfahren, dass auch diese Macht nichts Göttliches verkörpert. Entlarvend: Green spendet viel Geld in Machas Namen. Der weiß nicht, wie das zugegangen ist – heimst aber nichtsdestotrotz die Anerkennung ein.

Herrlich die Szene, in der Macha Green mit der Waffe bedroht. Auf dem spirituellen Weg geht es nicht darum, auf gleicher Ebene gegen die Kräfte dieser Welt (die sich im eigenen Wesen manifestieren) zu kämpfen – es geht nur darum, sie zu erkennen und sich nicht mehr mit ihnen zu identifizieren. Dann wird eine unirdische Kraft frei, die alle Ängste und damit alle Gebundenheit überwindet. Macha verliert die Kontrolle über Green, als dieser ihn als Teil von sich selbst entlarvt hat und ihm völlig angstfrei gegenübertritt. Verzweifelnd ruft dieser: „Du sollst mich fürchten!“

Schließlich hat auch das höhere Selbst die Kontrolle über Jake verloren und resigniert. Jake reagiert nicht mehr auf die Drohungen – er glaubt nicht mehr an Machas Macht. Er kann an ihm vorbeigehen, als wäre er unsichtbar – zumindest ist er für Macha unerreichbar, unangreifbar. Das erinnert an die Pistis Sophia: sie passiert die Reihen der Äonen (=Mächte dieser Welt), und diese fragen sich, wie das möglich war, ohne dass sie es verhindern konnten. Schlimmer noch: sie merkten es nicht einmal.

Gegen Macha mit dessen Waffen und nach dessen Regeln zu kämpfen wäre in etwa so, wie in der Matrix gegen die unwirklichen Computerwesen zu kämpfen. Oder im Kino zu sitzen und zu versuchen, die Filmfiguren zu beeinflussen – aus Angst, es könnte „schlecht“ ausgehen …

Das erinnert an die biblische Szene, in der Jesus den Widersacher abweist, statt ihn anzubeten.

Ein Schlüsselsatz in dem Film lautet:

„Der beste Gegner versteckt sich da, wo Du ihn am wenigsten erwartest.“

Lange Zeit wirkt es so, als ginge es ums Gewinnen, ums Besser-Sein in ganz weltlichem Sinne – bis klar wird: das Ego ist gemeint. „Das ‚Ich‘ ist der beste Betrüger, den man sich vorstellen kann.“

Dr. Deeprak Chopra:

Etwas wie einen „äußeren Feind“ gibt es nicht. Egal was die Stimme in ihrem Kopf zu ihnen sagt. Alle Feindbilder, die wir haben, sind nur Projektionen des „Ichs“ als der Feind selbst. Daran erkennen wir, dass all unsere Feinde unsere eigenen Erfindungen sind. Ihr größter Feind ist ihr eigenes Selbstbild. Ihr „Ich“.

Was für eine mächtige Einsicht in Zeiten des Krieges und des Terrorismus (lateinisch terror = Schrecken, Furcht).

Die Nachrichten, die Green in Form von Zetteln zukommen, erinnern an die Botschaften in Matrix, die Neo zu Morpheus führen. Aus einer bestimmten Sichtweise gibt es keine Zufälle: Green erhält in dem Maße Hilfe, wie er dafür gereift und offen ist. Wer nicht sucht und in dieser Welt der Gegensätze nichts vermisst, wird die Hinweise kaum verstehen können, die zum Ausgang führen.

Für mich steht Revolver in einer Reihe mit Filmen wie Truman Show, 13th Floor, Der Pfad des friedvollen Kriegers (Peaceful Warrior) und natürlich Matrix.

Zum Film: Revolver

Zur Übersicht über spirituelle Filme

Recent Related Posts