Die Grenzen der Welt: Bob Dylan, All Along the Watchtower

Bob Dylan’s All Along the Watchtower hat mich schon lange fasziniert – einer von vielen Songs des Literaturnobelpreisträgers, die eine besondere Atmosphäre erzeugen. Es erschien auf dem Album John Wesley Harding von 1967 sowie mehreren Greatest Hits-Sammlungen.

Hier eine Aufnahme von 1994 (Woodstock):

Es ist der Song, den Dylan am häufigsten live gespielt hat: deutlich über 2000 Mal! Im Herbst 2023 hat er nur Highway 61 revisited sowie Like a Rolling Stone ebenfalls über 2000 Mal auf Konzerten zum Besten gegeben (Statistiken siehe hier und hier).

All Along the Watchtower: Offen für Interpretationen

Sicher gibt es, wie bei fast allen Dylan-Songs, vielfältige Interpretations-Möglichkeiten. Laut Bob Dylan Song Analysis geht es um Einstellungen zu Korruption und Privilegien. Andere sehen ihn als Gespräch zwischen dem Teufel (Joker) und Jesus (Dieb; vgl. Bibel, z. B. 2. Petrusbrief 3:10). Es gibt auch die umgekehrte Deutung: Jesus als der Joker (Tarot: Jesus am Kreuz neben dem „guten Dieb“).

An der Grenze des irdischen Lebens

Aus meiner Sicht beschreibt der Song den Punkt des Suchers, an dem er erkennt, dass nichts Irdisches seine Sehnsucht befriedigen kann. Er hat die Grenze erreicht, ähnlich wie Truman (der Name spricht für sich) in der Truman Show. Und nun sucht er nach dem Ausweg.

“There must be some way out of here,” said the joker to the thief,
“There’s too much confusion, I can’t get no relief“

Die weltlichen Instanzen können die wesentlichen Fragen nicht beantworten. Wofür leben wir, was ist das Leben wert?

„Businessmen, they drink my wine, plowmen dig my earth
None of them along the line know what any of it is worth”

Die Sprecher sind Außenseiter: Narr und Dieb. Doch sind sie nicht allein, viele empfinden ähnlich.

“No reason to get excited,” the thief, he kindly spoke
“There are many here among us who feel that life is but a joke“

Der Becher der Erfahrungen ist hinreichend gefüllt, sie wollen das Spiel nicht mehr mitspielen. Sie stehen an dem Punkt, ihr Schicksal zu wenden. Nun ist Aufrichtigkeit gefragt (vor allem ehrliche Selbsterkenntnis):

„But you and I, we’ve been through that, and this is not our fate
So let us not talk falsely now, the hour is getting late”

An diesem Punkt geht es ums Wachsein, um die Magie des Augenblicks. Das Aufschieben auf ein Später, das nie kommt, hat ein Ende. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.

All along the watchtower, princes kept the view
While all the women came and went, barefoot servants, too

Outside in the distance a wildcat did growl
Two riders were approaching, the wind began to howl

Das äußere Leben läuft weiter, doch innerlich hat sich der Schwerpunkt verschoben. Der Wachturm ist wie ein Grenzstein.

Wie viele Dylan-Meisterwerke, so wurde auch dieses sehr häufig gecovert, u. a. von Neil Young, U2, Pearl Jam, Grateful Dead, Bryan Ferry oder Carlos Santana.

Als maßgeblich gilt die Version von Jimi Hendrix – Dylan selbst hat sich an Hendrix‘ Version orientiert und sie in den höchsten Tönen gelobt:

Sie [Hendrix’s Version] hat mich echt überwältigt. Er konnte Aspekte in Songs finden und entwickeln, die andere nicht sehen.
[…]
Wenn ich den Song singe, fühlt es sich wie ein Tribut an Jimi Hendrix an.

Quelle: Wikipedia

Musikalisch eindrucksvoll finde ich die recht unbekannte Interpretation von Werner Lämmerhirt:

Eine hörenswerte deutsche Version mit gelungener Übersetzung stammt von Tex, dem Erfinder und Moderator von TV Noir, dem „Wohnzimmer der Songwriter“. Am Schluss ergänzt Tex folgende Zeilen – durchaus dylanesque, wie ich finde:

Ich hab nur diese Holz-Gitarre,
Drei Akkorde,
Und was die Wahrheit ist
Ich hab nur diese Holz-Gitarre,
Was macht Ihr aus dem Rest?

Bob Dylan: Album John Wesley Harding

The Jimi Hendrix Experience

Zur Übersichtsseite: Spirituelle Interpretationen von Rock- und Popsongs

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