Sprache als Weg zur inneren Heilung
Gastbeitrag von Eckhard Neuhoff
Als Schriftsteller und Dichter beschäftige ich mich sehr intensiv mit unserer Sprache in ihrer ganzen Fülle und ihrem schier unermesslichen Reichtum; nicht nur mit der achtsamen und sorgfältigen Auswahl der einzelnen Worte und Sätze, sondern auch mit deren Wirkung und Klang – ihrer Melodie. Jedes einzelne Wort hat nämlich seine ganz eigene Klangfarbe und Wirkung; jeder Satz seinen ganz individuellen, besonderen Rhythmus.
Sprache ist Energie
Sprache ist wesentlich mehr, als ein bloßes Mittel zum Austausch von Informationen. Sowohl das gesprochene, als auch das geschriebene Wort löst in uns unwillkürlich etwas aus, denn es schwingen Stimmungen und Absichten mit, als reine Energie – im Guten wie im Schlechten. Worte können uns Freude oder Kummer bereiten, uns aufmuntern, trösten und stärken; sie können Wunden heilen oder aufreißen; je nachdem, welche Intention der Sprechende oder Schreibende hat, und, wie feinfühlig und offen der Empfangende ist.
Doch nicht jedes Buch, jeder Text oder jedes gesprochene Wort wird bei allen Menschen etwas Gleiches auslösen. Manches lässt uns völlig unberührt, weil es unserer momentanen seelischen „Frequenz“ nicht entspricht, oder unpassend für unsere gegenwärtige Situation ist. In einem Gespräch reden wir dann aneinander „vorbei“. Und das Gedicht, der Inhalt des Buches, lassen uns völlig unberührt. Im Idealfall jedoch berührt uns ein Text, ein gesprochenes Wort tief in unserer Seele und schenkt uns wichtige Impulse und dem Guten dienende Anregungen für unser Leben und für unser inneres Wachstum. Sie „beflügeln“, sie tragen uns.
Schreiben und Sprechen als Weg zur Selbsterkenntnis und zur Genesung
Als ich in den Neunzigerjahren damit begonnen habe, zunächst Gedichte zu schreiben, war dies eine wahre Offenbarung für mich. Mit einem Mal vermochte ich, in das verwirrende und unübersichtliche Dickicht meiner Gefühle und Gedanken Ordnung, Klarheit und Struktur zu bringen. Auch wenn diese Erkenntnis sich für mich damals noch nicht als dauerhaft oder nachhaltig erwiesen hat: Es war ein Samenkorn in mich gelegt worden, das in späteren Jahren dann zu meiner inneren Heilung beitragen sollte.
Je länger und intensiver ich mich mit der Vielfältigkeit und Fülle von Sprache befasse, umso bewusster wird mir die schier unglaubliche Macht, die in ihr verborgen ist und welch große Verantwortung der Umgang mit Sprache in sich trägt. Denn Sprache kann auch konfrontieren und trennen. Neben diesen schmerzhaften Erfahrungen habe ich jedoch auch und immer mehr erleben dürfen, dass diese der Sprache innewohnende Kraft Eines sein kann: heilsam. Sowohl in zahlreichen Gesprächen, als auch durch mein schöpferisches Tun, durfte und darf ich immer wieder erfahren, dass Sprache inneres Chaos, Ängste und Traurigkeit tatsächlich zu heilen vermag, indem sie beruhigend, tröstend, liebevoll und stärkend wirkt.
Sprache, Meditation und das „Ich bin“
Bereits in einem Gastartikel im Blog der Cranio-Sacral-Expertin Claudia Götz durfte ich mich gemeinsam mit ihr mit den Worten „Ich bin“ beschäftigen, die bei der inneren Heilung von großer Bedeutung sind. Allein schon durch meine Wortwahl entscheide ich nämlich ganz bewusst darüber, welchen der mir innewohnenden Eigenschaften ich besondere Präsenz und Wirksamkeit verleihen möchte.
„Ich bin stark“, „Ich bin Liebe“, „Ich bin dankbar“, „Ich bin Vertrauen“, „Ich bin Fülle“, sind nach meiner Erfahrung ganz besonders wirksame Zuschreibungen, wenn es darum geht, von früher herrührende Ängste und Unsicherheiten liebevoll, aber bestimmt in ihre Schranken zu verweisen. Natürlich geht das nicht von Heute auf Morgen, sondern es bedarf der regelmäßigen, täglichen Übung. Denn alte Denkmuster und Automatismen sind oftmals äußerst hartnäckig und weigern sich zunächst, etwas neuem Platz zu machen.
Die Meditation, das bewusste „in die Stille Gehen“, ist hierfür ein besonders geeigneter Ort. Denn wenn ich äußerlich und innerlich still werde, dann tritt alles zutage, was mich im Innersten beschäftigt oder auch quält. Das regelmäßige Meditieren kann dabei helfen, hier allmählich Ordnung und Klarheit zu schaffen – ein erster Schritt zur Heilung und Ganz-Werdung. Um diesen inneren Prozess zu verdeutlichen, füge ich hier ein Gedicht aus meinem neuen Gedichtband „Entwicklungsstufen. Autobiografische Poesie“ bei:
Beobachtung
In der Stille der Meditation
entspannt und aufmerksam zugleich
wahrnehmen und bedingungslos akzeptieren
alles was ist und sein möchte
Nichts verdrängen
sondern zulassen
dabei nicht werten
nur beobachten
Und manchmal entsteht
auf diese Weise
ein weiter lichter und friedvoller Raum
im Inneren
verbunden mit der Erkenntnis
dass Sein und Handeln
Eines sind
Die Verbindung von Sprache und Liebe
Wenn ich etwas mit, oder aus Liebe tue, dann verbinde ich mich mit dieser Tätigkeit, wie auch mit meinem Gegenüber, auf ganz intensive und einzigartige Weise: Ich werde in diesem Moment Eins mit ihm. Und ich tue dies in dem Bewusstsein, dass es ganz und gar freiwillig, aus mir heraus geschieht, ohne jeden Zwang und ohne, dass ich mich dazu von außen genötigt oder verpflichtet fühle. Denn wahrhaftige Liebe ist nichts anderes als Freiheit.
Was bedeutet das auf den Umgang mit Sprache bezogen? Es bedeutet liebevolles, mitfühlendes, intuitives und achtsames Formulieren, ohne mein Gegenüber mit aller Macht überzeugen, oder in meine Denkrichtung drängen zu wollen. Es geht um gegenseitiges Verstehen, aufeinander einlassen und Akzeptanz der jeweils anderen und eigenen Individualität, in aller Freiheit und Wertschätzung. Dies gilt gleichermaßen für das Schreiben: nicht aufdrängen wollen und abspüren, was für die Lesenden womöglich hilfreich und stärkend sein kann. Auch das ist dann heilsam.
Es ist also letztendlich die Liebe, die überall dort ihre großartige Heilkraft entfaltet, wo wir uns bewusst und freiwillig mit ihr verbinden, sie zu unserem Seins-Zustand machen, und so unser gesamtes Handeln von ihr leiten lassen und uns ihr anvertrauen.
Siehe auch den früheren Gastbeitrag: Mein Leben als transformativer Weg des Lernens und der Selbsterkenntnis.
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