Sich selbst verändern: Was hilft’s der Welt?
Bevor ich auf spirituelle Pfade gezogen wurde, glaube ich, für eine bessere Welt kämpfen zu müssen. Für mich waren Ergebnisse meiner Handlungen wichtig, ich wollte Gutes stärken und Schlechtes zurückdrängen.
Dann verlagerte sich mein Schwerpunkt nach innen. Die Frage „Wo genügen Reformen, und wo ist eine Revolution nötig?“ kann ich seither in mir selbst ausfechten … Doch was bringt es, wenn sich in mir eine Verwandlung vollzieht? Genügt das angesichts des schier unermesslichen Leidens in der Welt? Ist es legitim, sich darauf zu beschränken?
In seinem Roman Das Grüne Gesicht (erschienen 1916) gibt Gustav Meyrink eine starke Antwort. In der vorliegenden Szene (in meiner Ausgabe, Langen Müller 1995, ab S. 149) spricht Hauberrisser mit Baron Pfeill, der einen neuen Staat mit einer neuen Religion gründen will. Hauberrisser nimmt seinen Freund zunächst nicht ernst. Nach und nach beschreibt Pfeill genauer, worum es ihm geht: er braucht keine Organisation …
Überraschend aktuell wirken die über hundert Jahre alten Zeilen über Hygiene:
„… Die körperliche Hygiene hat große Fortschritte gemacht, – man desinfiziert sogar schon die Türklinken, um sich nicht irgendeine Krankheit zu holen, – ich sage dir, es gibt gewisse Schlagworte, die weit schlimmere Krankheiten, zum Beispiel: Rassen- und Völkerhass, Pathos und dergleichen, übertragen und mit viel schärferer Lauge keimfrei gemacht werden müssten als Türklinken.“
„Du willst also den Nationalismus ausrotten?“
„Es soll von mir in fremden Gärten nichts ausgerottet werden, was nicht von selbst stirbt. In meinem eigenen darf ich tun und lassen, was ich will. Der Nationalismus scheint für die meisten Menschen eine Notwendigkeit zu sein, das räume ich ein, aber es ist hoch an der Zeit, dass es endlich auch einen `Staat` gibt, in dem die Bürger nicht durch Landesgrenzen und gemeinsame Sprache zusammengehalten werden, sondern durch die Denkungsart und leben können wie s i e wollen.“
Sich selbst verändern
Es folgt eine Ermutigung für diejenigen, die bereit sind, bei sich selbst anzufangen, statt im Außen zu kämpfen:
„In gewissem Sinn haben die ganz recht, die lachen, wenn einer sagt, er wolle die Menschheit umgestalten. – Sie übersehen bloß, dass es vollkommen genügt, wenn ein einzelner sich bis in die Wurzeln umgestaltet. Sein Werk kann dann niemals vergehen, – gleichgültig, ob es der Welt bekannt wird oder nicht. So einer hat ein Loch ins Bestehende gerissen, das nie mehr zuwachsen kann, ob es jetzt die andern gleich bemerken oder eine Million Jahre später. Was einmal entstanden ist, kann nur scheinbar verschwinden. So ein Loch in das Netz zu reißen, in dem die Menschheit sich verfangen hat, – nicht durch öffentliches Predigen, nein: indem ich selbst der Fessel entrinne, das ist’s, was ich will.“
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