Karl May über den tiefen Sinn des Leidens
Mit seiner Gedichtsammlung Himmelsgedanken zeigte Karl May, wie tief er in spirituelle Mysterien eingetaucht war. Das betrifft auch den Sinn des Leidens. Ein wesentlicher Schritt auf dem spirituellen Weg besteht darin, die Lebensereignisse nicht mehr nach gewohntem Muster zu beurteilen: Was ist mir angenehm, was ist mir unangenehm; was tut mir persönlich gut, was tut mir persönlich weniger gut?
Das lässt sich leichter schreiben als leben. Wer den Sinn einer solchen Haltung erkennt, wird lange Zeit wohl eher sagen: Es gibt verschiedene Stimmen in mir. Eine kann erkennen, dass alles, was mir zufällt, einen Sinn hat – damit ist es kein willkürlicher Zufall. Eine andere Stimme wird sich weiterhin wünschen, dass möglichst viel Angenehmes geschieht und möglichst wenig Unangenehmes. Wer mag schon leiden?
Das folgende berührt mich sehr. Der alte May wusste wohl sehr gut, wovon er sprach – hat er doch Jahre im Gefängnis verbracht und musste zahlreiche Angriffe über sich ergehen lassen.
Karl May: Die Leiden
Es ging ein Schwert durch meine Seele,
Wie es einst durch Maria ging.
Ob ich’s gesteh, ob ich’s verhehle,
Dass ich zu sehr am Ird’schen hing,
Es ward durch dieses Schwert getroffen,
Und ich, ich lass die Wunde offen.Nun wird es langsam sich verbluten.
Zwar ist’s mein eignes Blut, das fließt,
Doch auch die Gegnerschaft des Guten,
Die aus der Wunde sich ergießt.
Ich lass das alte Leben rinnen,
Ein neues, bess’res zu gewinnen.Es ist der große Zweck der Leiden,
Der durch die ganze Schöpfung geht:
Sie nahen nur, um auszuscheiden,
Was Gottes Ratschluss widersteht.
Ich will im Leid, das mir geschehen,
Nur göttliche Erziehung sehen.
Ein weiteres Gedicht aus den Himmelsgedanken passt gut dazu:
Karl May: Erdenleid – über den Sinn des Leidens
Siehst du das Leid der Erde
An deinem Lager stehn,
So denke nicht, es werde
Schon morgen wieder gehn.Es wird das Leid der Erde
Aus Liebe dir gesandt,
Dass es dein Führer werde
Hinauf ins Vaterland.Es bleibt das Leid der Erde
Dir treu, so lang du lebst,
Damit errungen werde
Der Sieg, den du erstrebst.So geht das Leid der Erde
Selbst in den Tod mit dir,
Auf dass es dort dir werde
Das Gegenteil von hier.So nimm das Leid der Erde
Gern auf als Kamerad,
Dass es zur Freude werde,
Wenn sich der Himmel naht!
Lieber Leser, kannst Du an diese Gedanken über den Sinn des Leidens anknüpfen?
Lesestoff (Hinweis: bezahlter Link):
Karl May: Himmelsgedanken – Gedichte
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