Der zweifache Sündenfall des Menschen (Konrad Dietzfelbinger)
Der Sündenfall ist eines der zentralen Glaubensthemen, zumindest in christlichen Kreisen. Mich sprechen Positionen an, die ihn nicht moralisch aufladen, sondern ganz nüchtern als Ab-Sonderung, als Trennung von Gott beschreiben, die nun mal geschehen ist und die vor allem auch wieder rückgängig gemacht werden kann durch eine neue Verbindung.
In seinem Buch Die Bibel vertritt Konrad Dietzfelbinger eine solche Position und unterscheidet zudem zwei Phasen des Sündenfalls:
„Der Sündenfall ist ein existenziell-ontologischer, kein moralischer Vorgang. Er hat zwei Phasen. Erstens: Der ursprüngliche geistige Mensch, zur geistigen Schöpfung der Elohim gehörend, ‚fiel‘ in die seelische Schöpfung des Jahwe, das ‚Paradies‘, ein Gebiet langsamerer Schwingung als die geistige Welt. Dies ist der erste ‚Sündenfall‘, die Trennung, die ‚Sonderung‘ vom geistigen Ursprung. Er wird in der Bibel nur indirekt durch die Gegenüberstellung zweier Schöpfungsgeschichten angedeutet.
Zweitens: Die Aufgabe des Menschen im ‚Paradies‘ wäre gewesen, in Gehorsam gegenüber Jahwe ein Ich aufzubauen, von dem aus das Erwachen des wahren Selbst und die Rückkehr in die ursprüngliche Geistwelt möglich gewesen wäre. Der Mensch aber war ‚ungehorsam‘, suchte sich in Eigenwilligkeit selbst seinen Weg und verstrickte sich in die materielle Schöpfung – die Welt der Gegensätze von Gut und Böse: Er aß vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Er identifizierte sein Ich mit den vergänglichen Erscheinungen. Dieser zweite ‚Sündenfall‘ ist die Trennung, die ‚Sonderung‘ von Jahwe, die in der Bibel direkt darstellt wird.
Beide Male kann nicht von moralischer Schuld gesprochen werden, die ja ein entwickeltes Ich schon voraussetzt. Trotzdem ist der Sündenfall in seinen beiden Phasen eine unglückliche Fehlleistung der Menschheit. Denn die Konzentration auf die Welt der Erscheinungen verursacht, dass der Mensch sein wahres geistiges und seelisches Wesen vergisst, wodurch ihm die Erfüllung seiner Bestimmung unmöglich wird. Eine Revision ist nur dadurch möglich, dass ihn Wesen, die in besonderer Weise mit der geistigen Welt verbunden sind, an seine Bestimmung erinnern und ihm Kraft geben, sie zu erfüllen. Dann kann er seine Lage erkennen, den zweiten und den ersten ‚Sündenfall‘ rückgängig machen und so die Trennung von Jahwe und danach von den Elohim aufheben. Die erste Aufgabe schildert das Alte, die zweite das Neue Testament.
Apokryphe Evangelien aus Nag Hammadi
Mysterienweisheit im Johannesevangelium
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Keine andere Geschichte hat jemals so viele Interpretationsversuche hervorgebracht, wie die wunderbare kleine Geschichte von Adam und Eva im Paradies. Es wurde alles hineininterpretiert, was sich an ein unwissendes Publikum verkaufen ließ, so widersprüchlich, sinnlos oder belanglos es auch war. Mit den naiven Interpretationen ließe sich mit Leichtigkeit eine ganze Bibliothek füllen, und wer sich die Mühe machte, sie alle zu lesen, wäre hinterher nicht klüger als zuvor. Doch allein die Tatsache, dass es so viele Interpretationsversuche gibt, lässt darauf schließen, dass die wirkliche Bedeutung der kleinen Geschichte alles andere als belanglos ist.
Tatsächlich beinhaltet der Text, der unter Genesis 2,4b – 3,24 bis heute überliefert ist, ein fundamentales Wissen, das man ihm bei oberflächlicher (gegenständlich-naiver) Betrachtung niemals zutraut, das aber im Nachhinein betrachtet die gesamte Kulturgeschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit seit dem „Auszug der Israeliten aus Ägypten“ bis heute erklärt. Worum geht es wirklich in dem Text? Um die Basis allen menschlichen Zusammenlebens und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung in einer arbeitsteiligen Zivilisation, der Welt des Kulturmenschen: Makroökonomie und Geld. Adam und Eva repräsentieren nicht die ersten Urmenschen nach den letzten Menschenaffen (eine völlig unsinnige Vorstellung), sondern die ersten zivilisierten Menschen, die sich von ihren Vorfahren dadurch unterscheiden, dass sie Geld benutzen und in einer Marktwirtschaft leben. Und weil das so ist, hat eine „moderne“ Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld noch immer nicht verstanden und lebt bis heute in der Erbsünde!
Der ganze Sinn und Zweck des heute „zweiten“ Schöpfungsmythos der Genesis, der nachträglich im sechsten vorchristlichen Jahrhundert von der israelitischen Priesterschaft durch den heute „ersten“ Schöpfungsmythos (Genesis 1,1 – 2,4a) ergänzt und dann zur Basis dreier Weltreligionen (Judentum, Christentum, Islam) wurde, war eine künstliche Programmierung des kollektiv Unbewussten, um die wirkliche Bedeutung der Erbsünde aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes auszublenden, solange das Wissen noch nicht zur Verfügung stand, um diese „Mutter aller Zivilisationsprobleme“ zu überwinden. Anderenfalls hätte das, was wir heute „moderne Zivilisation“ nennen, gar nicht erst entstehen können.
http://opium-des-volkes.blogspot.com/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html