Sehnsucht nach Ewigkeitswerten: City, Am Fenster
Es gibt Hits für einen Sommer, und es gibt Lieder, die auch nach Jahren nichts von ihrer Faszination verlieren. Citys „Am Fenster“ gehört zu letzterer Kategorie – hier in einem Live-Mitschnitt von 1996. An den Youtube-Kommentaren sieht man, dass es nicht nur Ostalgiker berührt und auch im Westen populär war – auch heute zieht es Jüngere in seinen Bann. Kein Wunder bei der außergewöhnlich guten Musik und der tiefen Sehnsucht nach Ewigkeit, nach etwas, das über das bekannte Leben hinausführt. Zudem ist die Geige in der Rockmusik eher unüblich. (Das erinnert mich an die ebenfalls außergewöhnliche Querflöte bei Jethro Tull.)
Woran mag es liegen, dass manche Kunstwerke (ich denke es lässt sich auch auf Gemälde, Romane, Filme, … übertragen) quasi zeitlos erscheinen?
Vielleicht erscheint uns das als zeitlos, das an das Zeitlose, Ewige in uns selbst anknüpft. Das uns spüren lässt, es gibt mehr als den täglichen Kampf um vergängliches Glück. Wie könnte der Mensch sich nach ewigen Werten sehnen, wenn er nichts davon in sich trüge?
„Einmal wissen, dieses bleibt für immer
Ist nicht Rausch, der schon die Nacht verklagt
Ist nicht Farbenschmelz noch Kerzenschimmer
Von dem Grau des Morgens längst verjagt“
Goethe formulierte in „Zahme Xenien III:
„Wär nicht das Auge sonnenhaft,
die Sonne könnt es nie erblicken.
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
wie könnt uns Göttliches entzücken?“
Ebenfalls an Goethe erinnert der Bezug auf das Blut:
„Einmal fassen, tief im Blute fühlen“
„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, lässt er Mephistopheles sagen. In vielen spirituellen Traditionen wird auf die Reinheit des Blutes geachtet. Vegetarismus wird dann nicht nur ethisch begründet, sondern z. B. auch damit, dass die Angsthormone der Tiere bei der Schlachtung nicht unbedingt förderlich für den Blutszustand sind.
„Dies ist mein und es ist nur durch dich“
Der Text ist sehr lyrisch – was die Dichterin Hildegard Maria Rauchfuß (kein Bandmitglied – eine Schriftstellerin) empfand und beabsichtigte, weiß ich nicht. Für mich klingt hier ein Urthema an, das sich durch spirituelle Texte der Jahrhunderte zieht. Um das Ewige, nicht mit den körperlichen Sinnen Erfahrbare anzudeuten, müssen Bilder und Begriffe der Erfahrungswelt herangezogen werden. Oft wird die Berührung des Ewigkeitsprinzips in uns mit Liebe umschrieben. Welches Wesen ist mit „durch dich“ gemeint? Bezieht man sich hier auf das Ewigkeitswesen im Menschen, das erwachen, wachsen und schließlich das Leben leiten kann, dann kann man auch das „mein“ spirituell verstehen: Nicht als Besitz im Ego-Sinne, sondern als dauerhaft veränderten Lebenszustand. Manche sprechen hier von „Blutsbesitz“. Wissen, das sich aus einem veränderten Wesenszustand speist, kann nicht vergessen werden, man muss es nicht lernen und speichern wie Schulwissen – es ist Teil des Wesens, lebendige Wirklichkeit.
„Nicht die Stirne mehr am Fenster kühlen
Dann ein Nebel schwer vorüber strich“
Ist dieses Ewigkeitswesen im Menschen erwacht, dann muss er nicht mehr sehnsüchtig nach dem „wirklichen Leben“ Ausschau halten und sich nicht mehr der Schwermut hingeben. Dann kann er das Leben so annehmen, wie es ist, und die Verbindung zum eigenen Inneren im Hier und Jetzt aufrecht erhalten.
Mit der extralangen Version von „Am Fenster“ (CD Album City, 14 Tracks)
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So unüblich ist die Geige in der Popmusik nicht! Mein Favorit: „It’s A Beautiful Day“ um den Geiger David LaFlamme und ihr erstes Album „White Bird“ mit dem gleichnamigen Stück. Sehr spirituelle Musik übrigens!