Jakob Böhme erklärt Goethes „zwei Seelen“
Jakob Böhme unterschied deutlich zwischen zwei Lebensfeldern, ähnlich wie Mani und die Manichäer. In seinem Werk Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens (De tribus principiis) macht er im 5. Kapitel zunächst auf die Notwendigkeit der Selbsterkenntnis aufmerksam (Abschnitt 1):
[…] ist aber dem begierlichen Leser Not, dass er sich mit großem Ernst selber betrachte, was er sei und wovon ihm seine Vernunft und Sinnen kommen, in welchem er Gottes Gleichheit findet, sonderlich so er sinnt und erkennt, was seine Seele sei, die ein ewiger unzerbrechlicher Geist ist.
Was er über die beiden Seelenprinzipien schreibt, erinnert an Goethe, der seinen Faust sagen lässt:
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust, Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust (= Staub)
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
Jakob Böhme kannte den Faust natürlich nicht, da er wesentlich früher lebte, doch er erläuterte die irdische Seele mit Worten, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen (Abschnitt 3):
Denn du findest in der Wurzel des Urkundes [Urgrundes?] des Seelengeistes in sich selber, in der Substanz der Seele ewigen Geburt und unzertrennlichem ewigen Bande die allerschrecklichste, feindlichste Qual, darinnen sie allen Teufeln gleich ist, außer dem Lichte Gottes, darinnen ihre ewige Qual steht, eine Feindung in ihr selber, ein Widerwille gegen Gott: nichts Gutes oder Liebes wollen, ein Aufsteigen der Hoffart in Feuersmacht, eine bittere Grimmigkeit wider das Paradeis, Gott und Himmelreich …
Die Selbsterkenntnis führt also nicht direkt in erhebende Gefilde, sondern in die Abgründe des eigenen Wesens. Dort wohnt „Widerwille gegen Gott“, die Naturseele ist „allen Teufeln gleich“. Nur ein neues, (wieder-)geborenes Seelenprinzip ist mit dem göttlichen Lebensfeld verbunden und unerreichbar für teuflische Versuchungen (Abschnitt 4).
Nun findest du ja hiergegen, wenn sie im Lichte Gottes neugeboren wird, wie die Schrift durchaus zeugt, und der neugeborene Mensch selber erfährt, dass die Seele gar ein demütiges, sanftes, liebliches, wonnesames Wesen sei, die alles Kreuz und Verfolgung duldet, die dem Leibe wehrt und Menschen achtet, die ihr Vertrauen, Zuversicht und Liebe ins Herze Gottes setzt, die gar freudenreich ist, die vom Worte Gottes gespeist wird, in welcher ein paradeisisch Lachen und Triumph ist, die der Teufel nicht berühren kann …
Die folgende Reclam-Ausgabe enthält ausgewählte Abschnitte aus drei Werken von Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, De tribus principiis oder Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens, sowie De signatura rerum oder Von der Geburt und Bezeichnung aller Wesen:
Aurora oder Morgenröte im Aufgang: Ausgewählte Texte
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Eine Antwort
[…] und Seele. Die beiden Damen können für Seelenaspekte stehen, im Sinne von Goethes Faust: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust … Eine ist auf diese Welt gerichtet, die irdischen, materiellen Anteile, und eine sehnt sich […]