Das Räderwerk Gottes bei Jakob Böhme: Aurora

Im vorigen Beitrag ging es um einen Romanfigur von Anker Larsen, die in einer geistigen Schau das Räderwerk Gottes erkennt und anschließend versucht, es in Form einer Ewigkeitsmaschine in den Stoff zu bringen.

Jakob Böhme hat ebenfalls über dieses Räderwerk geschrieben. In Aurora oder Morgenröte im Aufgang findet sich folgende Passage in Kapitel 13, 71- 89. Es ist zu spüren, wie Böhme um Worte ringt, wie begrenzt die Sprache ist, um die Schau in Worte zu fassen. Auch andere Autoren, etwa Alice Bailey oder H. P. Blavatsky, haben göttliche Schöpfungsimpulse in die Zahl sieben gefasst, als sieben Strahlen.

So ich dir aber die Gottheit in ihrer Geburt soll beschreiben, in einem kurzen runden Zirkel recht in der höchsten Tiefe, so ist sie also: Gleich als wenn ein Rad vor dir stünde mit sieben Rädern, da je eines in das andere gemacht wäre, also dass es auf Erden gehen könnte, vor sich und hinter sich und quericht und bedürfte keiner Umwendung. Und so es ginge, dass immer ein Rad in seiner Umwandlung das ander gebäre und doch keines verginge, sondern alle sieben sichtlich wären. Und die sieben Räder gebären immer die Naben inmitten nach ihrer Umwendung, dass also die Nabe frei ohne Veränderung immer bestünde. Die Räder gingen gleich vor sich oder hinter sich oder quericht oder über sich oder unter sich und ginge, wohin es der Wind drehete und bedürfte keiner Umwendung.

Nun merke, was ich dich bescheide: Die sieben Räder sind die sieben Geister Gottes. Die gebären sich immer einer den andern, und ist, wie man ein Rad umwendet, da sieben Rädern ineinander wären wie eine runde Kugel. Und dasselbe Rad hätte sieben Räder und wäre doch nur ein Rad, und ginge immer vor sich, wo es der Wind hintriebe. Nun merke: Die sieben Räder ineinander, da immer eins das andere gebäret, und auf allen Seiten gehen und doch keines vergehet oder sich umwendet, das sind die sieben Quellgeister Gottes des Vaters. Die gebären in den sieben Rädern In jedem Rad eine Nabe und sind doch nicht sieben Naben, sondern nur eine. Und das ist das Herze oder der innerste Corpus der Räder, darinnen die Räder umlaufen. Und das bedeut den Sohn Gottes, den alle sieben Räder Gottes des Vaters in ihrem Zirkel immer gebären. Und er ist aller sieben Geister Sohn, und sie qualifizieren alle in seinem Lichte, und ist inmitten der Geburt und hält alle sieben Geister Gottes und sie wenden sich in ihrer Geburt mit ihm also um. Das ist, sie steigen nun über sich oder unter sich oder hinter sich und vor sich oder quericht. So ist das Herze Gottes immer inmitten und schickt sich immer zu jedem Quellgeiste. Also ists ein Herze Gottes und nicht sieben, das von allen Geistern immer geboren wird, und ist aller sieben Geister Herze und Leben.

Mensch schaut aus dem Horizont dieser Welt hinaus ins göttliche Räderwerk. Camille Flammarion, L'Atmosphere: Météorologie Populaire (Paris, 1888), p. 163 Quelle: Wikimedia Commons
Camille Flammarion, L’Atmosphere: Météorologie Populaire (Paris, 1888), p. 163 Quelle: Wikimedia Commons

Nun die Speichen, die von der Nabe und den Rädern immer geboren werden, die bedeuten Gott den Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohne ausgehet. Nun gleichwie der Speichen viele sind und gehen immer in dem Rade mit um, also ist der Heilige Geist der Werkmeister in dem Rade Gottes und formet und bildet alles in dem ganzen Gott. Also ist Gott ein einiger Gott mit sieben Quellgeistern ineinander, da immer der eine den andern gebäret, und ist doch nur ein Gott. Nun merke: Das Rad in seinem zusammenkorporierten Baue bedeutet die herbe Qualität. Und das süsse Quellwasser wird von dem Umtreiben oder Aufgehen der Geister geboren. Denn wenn sich das Licht in der Hitze gebäret, so erschrickt die herbe Qualität vor grosser Freude, wie eine Sanftmut. Der Schrack oder Anblick des Lichts steiget nun in der herben Qualität fein, sanft und zitternd auf und zittert. Der ist nun in dem Wasser bitter. Und das Licht vertrocknet ihn und macht ihn freundlich und süsse. Darinnen stehet nun das Leben und die Freude. Da steigen alle sieben Geister ineinander auf und gebären sich gleichwie in einem Zirkel. Und das Licht wird mitten in den sieben Geistern scheinend und scheinet wider in alle sieben Geister, und darinnen triumphieren alle Geister und freuen sich in dem Lichte. Also auch gebären die sieben Geister das Herze, und das Herze hält die sieben Geister, und gehen allda auf in Stimmen und göttliche Freudenreich. Denn wenn die Geister in ihrem Licht ineinander wallen, sich umdrehen und aufsteigen, so wird immer das Leben geboren, denn ein Geist gibt immer dem andern seinen Geschmack, das ist, er infizieret sich mit dem andern. Also kostet einer den andern und fühlet den andern. Und der Schall oder Ton dringet von allen sieben Geistern gegen das Herz und steiget in dem Herzen im Blitze des Lichts auf. Da gehen auf Stimmen und Freudenreich des Sohnes Gottes. Und alle sieben Geister triumphieren und freuen sich in dem Herze Gottes, ein jeder nach seiner Qualität. Denn in dem Lichte in dem süssen Wasser wird alle Herbigkeit und Härtigkeit und Bitterkeit und Hitze gesänftiget und lieblich, und ist in allen sieben Geistern nichts denn ein liebliches Ringen und wunderliches Gebären, wie ein heiliges Spiel Gottes. Ihre scharfe Geburt aber, davon ich oben geschrieben habe, die bleibet als wie ein Kern verborgen, denn sie wird von dem Licht und süssen Wasser gesänftiget. Aber sie ringet fein sanft wie ein lieblich Spiel. So sich aber die Quellgeister würden erheben und geschwinde ineinander durchdringen und sich hart reiben und quetschen, so quetschte sich das süsse Wasser aus und zündete sich die grimmige Hitze an. Alsdann würde aufgehen das Feuer aller sieben Geister wie im Luzifer. Das ist nun die wahrhaftige Geburt der Gottheit, die von Ewigkeit an allen Enden ist also gewesen und bleibet in alle Ewigkeit also.

Gefunden In: Liebe und Zorn – Eine Lange Nacht über den Mystiker und Theosophen Jacob Böhme, von Ronald Steckel

Für mich lautet ein Schlüsselbegriff hier: Harmonie. Im göttlichen Schöpfungsgeschehen arbeiten sieben Kräfte harmonisch zusammen. Sie sind zwar unterschiedlich, doch ergänzen sich immer wieder zu einer dynamischen Einheit.

Der Mensch, der selbst Schöpfer sein will, bildet Eigenschaften aus – je nach individuellem Zustand dominiert bei diesem Menschen dieser Aspekt, bei jenem ein anderer, oder jeweils eine spezielle Mischung von Aspekten. Doch niemals stehen die Eigenschaften in vollkommener Harmonie zu einander. Dazu bedarf es wohl tatsächlich einer fundamentalen Verwandlung, von der unter anderem Jakob Böhme immer wieder zeugte. Ein Bild dafür ist die Wiedergeburt aus Wasser und Geist.

Weitere Quellen zu Böhme und zur Arbeit von Ronald Steckel, Max Hopp, Klaus Weingarten sowie zu Böhme-Fassungen in modernem Deutsch im Beitrag Jakob Böhme: Jubiläumsjahre 2024, 2025.

Mehr (bezahlte Links):

Zum Film: Morgenröte im Aufgang

Alles in Allem: Die Gedankenwelt des mystischen Philosophen Jacob Böhme

Gerhard Wehr: Jakob Böhme: Ursprung, Wirkung, Textauswahl

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