„Alles ist eins“ vs. Unterscheidung des Ungöttlichen vom Göttlichen – Shankara
Eine Grundfrage spirituellen und insbesondere gnostischen Strebens zielt auf ein Spannungsverhältnis:
- die Unterscheidung des Göttlichen vom Ungöttlichen
(sowohl auf der Ebene der unvollkommenen materiellen Welt vs. der vollkommenen spirituell-geistigen Welt als auch auf der Ebene des unvollkommenen irdischen Menschen vs. den vollkommenen geistigen, ursprünglichen Menschen)
vs. - die Erkenntnis, dass letztlich alles Eins ist.
In dem Büchlein „Das Kleinod der Unterscheidung – Ein Juwel indischer Weisheitsliteratur“ findet sich dazu Folgendes (Scherz Verlag für den Otto Wilhelm Barth Verlag, meine Ausgabe anscheinend ohne Jahr, S. 68f.):
Die Schriften behaupten die absolute Identität von Brahman und dem Atman, indem sie immerfort wiederholen: „Das bist Du“. Hier sind die Namen Brahman und Atman in ihrem eigentlichen Sinn gebraucht, wobei sich Brahman auf „Das“ und „Atman“ auf „Du“ bezieht.
In ihrer oberflächlichen wörtlichen Bedeutung haben „Brahman“ und „Atman“ entgegengesetzte Eigenschaften, so wie Sonne und Glühwürmchen, König und Diener, das Meer und ein Brunnen, der Berg Meru und das Atom. Ihr Wesen ist nur dann zu fassen, wenn sie in ihrer wahren Bedeutung, nicht in einem oberflächlichen Sinn verstanden werden.
Wird „Brahman“ auf Gott, den Herrn der Maya, den Schöpfer des Weltalls bezogen, „Atman“ aber auf die individuelle Seele mit ihren fünf Hüllen, die durch Maya entstehen, dann besitzen beide entgegengesetzte Eigenschaften. Dieser scheinbare Gegensatz aber wird durch Maya und ihre Wirkungen hervorgerufen. Er ist daher nicht wirklich, sondern nur Überdeckung.
Die Eigenschaften, die durch Maya und ihre Auswirkungen hervorgerufen werden, projiziert unsere Unwissenheit auf Gott und die individuelle Seele. Nachdem sie vollkommen entfernt sind, bleibt weder Seele noch Gott übrig. Nimmt man dem König sein Königreich und dem Soldaten seine Waffen, dann gibt es weder König noch Soldat.
Die Schriften verwerfen jeden Gedanken einer Dualität in Brahman. […]
So sollte der Mensch Unterscheidung üben und sich vom Bewusstsein einer objektiven Welt befreien. Dann mag er über die Identität von Brahman und Atman meditieren und so die Wahrheit erfahren.Durch Unterscheidung kann er die wahre innere Bedeutung der Begriffe „Brahman“ und „Atman“ erkennen und ihre absolute Identität erfahren. Erkenne die Wirklichkeit in beiden, und du wirst sie als Einheit sehen.
[…]
Gib die falsche Vorstellung auf, der Atman sei dieser Körper, dieses Phantom. Meditiere über die Wahrheit, dass der Atman „weder grobstofflich noch feinstofflich, weder klein noch groß ist“, dass er aus sich selbst existiert, frei ist wie der Himmel und von keinem Gedanken erfasst werden kann. Reinige dein Herz, bis du erkennst: Ich bin Brahman! Erfahre deinen eigenen Atman, das reine unendliche Bewusstsein.
Man könnte sagen: Die Erkenntnis und die lebendige Erfahrung der Einheit bauen auf der Unterscheidung der Ebenen auf. In Gott gibt es keine Trennung, aber das Bewusstsein des Menschen, der an die grobstoffliche Welt gebunden ist, nimmt trennende Eigenschaften wahr.
Shankara: Das Kleinod der Unterscheidung
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2 Antworten
[…] Armin Risis Werk Gott und Götter bildet den ersten Band von Der Multidimensionale Kosmos. Darin beleuchtet er zahlreiche Aspekte der vedischen Weisheit und besticht durch klare Aussagen. Im Kapitel 6 geht er auf Shankara ein – vgl. den Beitrag „Alles ist eins“ vs. Unterscheidung des Ungöttlichen vom Göttlichen – Shankara. […]
[…] bis auf den Schopf geschoren, mag ein Weiser die äußere Opferschnur ablegen. Das unversiegliche höchste Brahman ist die Opferschnur, die er anlegen soll …Wer diese kennt, ist ein Weiser, der den ganzen […]