Vermeintliche Gegner als Förderer: Jakob Böhme und Karl May

In letzter Zeit musste ich öfter an das bekannte Goethe-Zitat aus dem Faust denken:

Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Sich so ein Zitat zu merken und es gut zu finden, ist das eine. Etwas anderes ist es, es tief zu verinnerlichen.

Dabei können die Beispiele Jakob Böhme und Karl May helfen.

Jakob Böhme und Gregor Richter

Böhme fand im Görlitzer Pfarrer Gregor Richter seinen Widersacher. Richter empörte sich über die vermeintliche Anmaßung des einfachen Schusters, über die Bibel und das Leben in Christus zu schreiben, erwirkte ein Schreibverbot und verleumdete Böhme schriftlich sowie von der Kanzel herab.

Wie menschlich wäre es, das Gegenüber bei solcher Behandlung als Feind zu sehen, sich mit gleichen Mitteln zu wehren und auf Rache zu sinnen. Doch Böhme war so von seiner innerlichen Christuserfahrung durchdrungen, dass ihm solches fernlag. Ja, er konnte sogar erkennen, dass Richter sein Werk weit mehr förderte, als dass er ihm schadete!

Hier ein Auszug aus Böhmes Schutzrede gegen Gregor Richter, zitiert in der Pushpak-Bearbeitung (Schutz- und Verteidigungsschriften):

69. […] Wenn es der Herr Primarius mit seiner Warnung so treulich meinte, dann ließe er das Lästern auf der Kanzel und forderte mich allein zu sich und zeigte mir meinen Irrtum. Wenn ich dann befände, dass er etwas Wahres gegen mich hätte und er mir einen besseren Weg zeigte, oh, wie lieb wollte ich ihn haben und ihm dessen treulich danken. Aber er freut sich, wenn er nur etwas hat, darüber er lästern kann. Ich habe mich zu Anfang nach seiner ersten Lästerung und Verfolgung sechs Jahre lang unterworfen und kein Wort geschrieben. Warum hörte er nicht auf zu lästern? Wer tat ihm etwas? Aber er konnte nicht. Warum?

Darum: Gott hatte ihn zum Treibhammer gemacht, der das Werk treiben musste. Sein Lästern ist meine Stärke und Wachsen gewesen. Durch sein Verfolgen ist mein Perllein gewachsen. Er hat es herausgepresst und auch selber publiziert.

Deswegen wünsche ich ihm Gottes Erbarmen, dass er dessen doch auch genießen möchte, weil ihn Gott zu meinem Werkzeug gebraucht hat. […]

Bemerkenswerte Worte!

Karl May und der Anwalt Oskar Gerlach

Karl May wurde als junger Mann zwei Mal zu vier Jahren Haft verurteilt und litt zeitlebens unter der Stigmatisierung als Vorbestrafter. Seine späteren Jahre waren von zahlreichen Prozessen geprägt. In „Mein Leben und Streben“ beschreibt er den Anwalt Oskar Gerlach als einen Hauptwidersacher, der bei mehreren, an sich von einander unabhängigen Prozessen gegen ihn die Fäden zog.

Zwei Tage nach Mays Beisetzung schrieb Gerlach dieses bemerkenswerte Gedicht (zitiert aus Band 34 „Ich. Karl May – Leben und Werk“):

An den toten Karl May

Wie stürmt der Lenz! Doch unter Blumen still
schläfst du und lachst ob all der Lebensschauer,
Ich will nicht stören, nein teilnehmen will
ich nur von fern an deiner Freunde Trauer.

Du tats mir weh, tatst mir oft Unrecht gar;
ich kann verzeihn, vergessen sei’s auf immer!
Dein Scharfblick war dies einz’ge Mal nicht klar:
Mein wahres Ich erkanntest du wohl nimmer.

Stets rein aus P f l i c h t war ich dein Widersach
– denn krankhaft falsch war all dein Prozessieren -,
doch schlug mein H e r z dir heimlich hundertfach:
Auf Wiedersehn in himmlischen Revieren!

(Karfreitag 1912) Oskar Gerlach

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