Helena Blavatskys Geheimlehre (engl. The Secret Doctrine) erschien 1888 und damit etliche Jahre vor der Gründung heute aktiver Rosenkreuzer-Bewegungen wie der Rosicrucian Fellowship (gegründet um 1909 von Max Heindel), AMORC (gegründet 1915 von Harvey Spencer Lewis) und dem Lectorium Rosicrucianum (1935 aus der niederländischen Abteilung der Rosicrucian Fellowship hervorgegangen).
In der Geheimlehre finden sich mehrere Verweise auf rosenkreuzerische Gedanken. Auch wenn sie heutigen Lesern nicht leicht zugänglich sein mögen, zeigen sie zumindest, dass rosenkreuzerisches Gedankengut auch im 19. Jahrhundert präsent war – lange nach den Schriften der mittelalterlichen Rosenkreuzer (Der Ruf der Rosenkreuzer Bruderschaft, Das Bekenntnis der Rosenkreuzer Bruderschaft, Die Alchymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz).
Die folgenden Zitate wurden einem PDF des fvn-archiv.net entnommen (Freie Verwaltung des Nachlasses Rudolf Steiners): http://fvn-rs.net/PDF/andere/.
In Band I der Geheimlehre findet sich ein etwas unvermittelter Bezug auf die Rosenkreuz-Philosophie, der nicht weiter erläutert wird (S. 67):
„Die Erkenntnis des absoluten Geistes ist, wie der Glanz der Sonne, oder wie die Hitze im Feuer, nichts anderes als die absolute Wesenheit selbst,“ sagt Shankarâchârya. ES – ist „der Geist des Feuers“, nicht das Feuer selbst; daher „sind die Attribute des letzteren, Hitze oder Flamme, nicht die Attribute des Geistes, sondern dessen, von dem dieser Geist die unbewußte Ursache ist“. Ist nicht obiger Satz der echte Grundton der späteren Rosenkreuzerphilosopie? [Hervorhebung nicht im Original.] Parabrahman ist, kurz gesagt, das kollektive Aggregat des Kosmos in seiner Unendlichkeit und Ewigkeit, das „TAT“ und „DIESES“ auf das distributive Aggregate nicht bezogen werden können.“
Etliche Seiten später geht es um das Symbol des Kreises mit einem Punkt in der Mitte. Blavatsky beklagt Missverständnisse universeller Weisheit durch christliche Mystiker und verweist auf den Pelikan (S. 83):
„In diesem Zustande des Wiedererwachens des Weltalls wird dasselbe von der heiligen Symbolik als ein vollkommener Kreis mit dem (Wurzel-) Punkt in der Mitte dargestellt. Dieses Zeichen war universell, daher finden wir es auch in der Kabalah. Die westliche Kabalah jedoch, nunmehr in den Händen christlicher Mystiker, ignoriert es vollständig, obwohl es im Zohar klar gezeigt ist. Diese Sektierer beginnen mit dem Ende und geben als das Symbol des prägenetischen Kosmos [Symbolabbildung, siehe Buch], und nennen es „die Vereinigung von Rose und Kreuz“, das große Geheimnis der occulten Zeugung, daher der Name – Rosenkreuzer (Rose-Kreuz)!
Dies kann man sehen an einem der wichtigsten und wohlbekanntesten ihrer Symbole, welches bis jetzt niemals, auch nicht von modernen Mystikern, verstanden worden ist. Es ist dies das des Pelikans, der seine Brust aufreißt, um seine sieben Jungen zu füttern – der echte Glaube der Brüder vom Rosenkreuze und ein direkter Schößling der östlichen Geheimlehre.“
Auf S. 137 findet sich ein Verweis auf rosenkreuzerische Lehren und Robert Fludd – mit interessanten Anmerkungen zum Verhältnis von Licht und Finsternis:
„Nach den Rosenkreuzerischen Lehrsätzen, wie sie diesmal von dem Profanen korrekt, wenn auch nur einen Teil betreffend, behandelt und erklärt werden, sind „Licht und Dunkelheit an sich identisch, und nur im menschlichen Gemüte teilbar“, und nach Robert Fludd „nahm Dunkelheit Beleuchtung an, um sich sichtbar zu machen“. Nach den Lehren des östlichen Occultismus ist Dunkelheit die eine wahre Wirklichkeit, die Grundlage und Wurzel des Lichtes, ohne welche das letztere sich niemals hätte offenbaren können, ja nicht einmal existieren. Licht ist Stoff und Dunkelheit reiner Geist. Dunkelheit in ihrer innewohnenden, metaphysischen Grundlage ist subjektives und absolutes Licht; während letzteres in all seinem scheinbaren Glanz und Pracht bloße eine Menge von Schatten ist, da es niemals ewig sein kann
und bloß eine Illusion oder Mâyâ ist.“
Weitere Zitate (S. 151, 152) beziehen sich erneut auf den Pelikan. Hoher Respekt vor rosenkreuzerischer Weisheit spricht aus diesem Satz (S. 212):
„Von den Mystikern und Kabbalisten definierten die
Rosenkreuzer das Feuer am korrektesten. Nimm eine Fünfgroschenlampe, erhalte sie nur mit Öl versorgt, und du wirst imstande sein, an ihrer Flamme alle Lampen, Kerzen und Feuer der ganzen Welt anzuzünden, ohne diese Flamme
zu verringern.“
In einer Fußnote auf S. 446 bezeichnet Blavatsky Paracelsus als großen Rosenkreuzer (vgl. Paracelsus aus Sicht der mittelalterlichen Rosenkreuzer).
Auf S. 475 werden Einweihungsgruppen aufgezählt:
„Alle esoterischen Gesellschaften haben Embleme und Symbole verwendet, so die pythagoräische Gesellschaft, die Eleusinia, die hermetische Brüderschaft von Ägypten, die Rosenkreuzer und die Freimaurer.“
Literatur:
Esoterische Analyse der Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreuz